Material Geschichten*
Die Geschichte der Architektur ist durchdrungen von Helden. Kanonisiert und in Epochen gegliedert, werden sie über Generationen weitergegeben.
Die amerikanische Fiction-Autorin Ursula K. Le Guin fordert in ihrem Essay „The Carrier Bag Theory of Fiction” (1989) Erzählungen, die nicht von Heroen und Konflikten geprägt sind, sondern die von einfachen Menschen und Dingen handeln. Le Guin geht es dabei besonders um solche Erzählungen, die meist unerzählt wie unerhört bleiben.
Erzählungen sind wesentlich für den Zusammenhalt in Gemeinschaften, mit ihnen generieren wir Sichtbarkeit und Bewusstsein – sie haben eine eigene Wirkmacht – sie sind zentral in der Frage nach Verantwortung.
Im Rahmen des Seminars „Material Geschichten“ widmen wir uns den alltäglichen Dingen, mit denen wir bauen. Recherchierend und erzählend machen wir die vielfältigen – sozialen und ökologischen – Beziehungen sichtbar, die Baumaterialien lokal vor Ort und global im Erdsystem haben. Auf Basis von Besuchen in Hamburger Patenbetrieben, schreiben die Studierenden kleine Beobachtungsberichte und erzählen an einer seiner zahlreichen Stationen aus dem Leben eines ausgewählten Materials. Diese ethnographischen Berichte werden dann in vertiefenden Recherchen zu kleinen, aber nach wissenschaftlichen Standards ausgearbeiteten Erzählungen erweitert. Uns interessieren hierbei die komplexen Beziehungen und Abhängigkeiten einer „deutschen“ Bauindustrie, die auf viele „andere Akteure“ angewiesen ist, welche uns als Architekt*innen oft unsichtbar sind.
Sommer 2022 (BA)
Sommer 2023 (MA)
* Seminartitel in Anlehnung an Christian v. Wissel (Hg.): „Materialgeschichten: Leben und Landschaften im Schatten der Architektur“, TU Braunschweig, 2018.