Im Rahmen der Verleihung der Ehrendoktorwürde der HafenCity
Universität Hamburg HCU im Mai dieses Jahres an Professor Volkwin
Marg sprach unser Autor mit dem Hamburger Architekten und
seinem Laudator Professor Werner Sobek aus Stuttgart über die
Wege, die Architekten und Ingenieure gemeinsam zu gehen
haben.
Bernd Pastuschka: Professor Marg, Sie als einer der erfolgreichsten
Architekten in Deutschland wohnen in einer hundert Jahre alten
Gebrauchtimmobilie am Hamburger Elbstrom. Sie Herr Professor
Sobek, als einer der renommiertesten Tragwerksplaner des Landes
wohnen in einem selbstentworfenen Haus in Stuttgarter Halbhöhenlage.
Verkehrte Welt von Entwerfer und Ingenieur?
Volkwin Marg: Mir ging es bei der Wohnungswahl um den übergeordneten
Zusammenhang zwischen Stadt und Hafen, die Blicksituation
in den Ort, das Milieu, das soziale Gefüge. Und das war im
alten Haus möglich.
Werner Sobek: Wir planen im Büro pro Jahr ein Einfamilienhaus,
nicht um als Architekten tätig zu sein, sondern um meine Ideen für
ein Bauen von morgen weiterzuentwickeln. Einfamilienhäuser sind
für mich immer zu einem großen Teil Experimente, so auch das von
mir und meiner Familie bewohnte Haus in Stuttgart.
BP: Herr Sobek, Sie sind sowohl ausgebildeter Architekt als auch
Ingenieur. Führt diese Doppelrolle zu Konflikten im Austausch zwischen
den Welten des Architekten und Tragwerkplaners? Wie ist
das als Ingenieur im Architektenrevier? Ist das vielleicht sogar ein
Zukunftsmodell?
WS: Ich sehe in dieser Verbindung eine Stärke. Wir benötigen
heute, mehr denn je, interdisziplinäre Kompetenz.
Das Bauen ist komplexer geworden und die auf uns zukommenden Anforderungen,
ich erinnere beispielhaft an die Minimierung des Energieverbrauchs,
die Rückführung der Baustoffe in technische oder biologische
Kreisläufe, die Interaktion von Haus und Elektrofahrzeug etc.
werden eine weitere Steigerung dieser Komplexität bewirken.
Andererseits bilden die Hochschulen weltweit nach wie vor streng
monodisziplinär aus. Im Ergebnis bewirkt dies, dass nur noch
wenige diese Gesamtkomplexität souverän beherrschen. Letzteres
ist aber Voraussetzung für die Schaffung herausragender Architektur
und für die Fähigkeit zur bewussten Innovation.
Wenn wir als Ingenieure teilweise Produktdesign oder Architektur
machen, dann handelt es sich dabei typischerweise um Sonderkonstruktionen
wie Messestände, Baldachine für den Papst etc.
oder sehr stark aus dem Montage- und/oder Strukturgedanken
heraus entwickelte Projekte.
Ich plane ein Einfamilienhaus pro Jahr. Dabei geht es darum, herauszufinden,
wie weit man im Wohnbau mit Energieeinsparungen
oder sogar Plus-Energiehäusern, mit recyclinggerechtem Bauen
gehen kann. Das ist bis heute im Bauen in keinster Weise verankert.
Es gibt kein einziges Lehrbuch über recyclinggerechtes
Bauen, obwohl das Bauen der größte Massenmüllproduzent auf
der Erde ist.
BP: Herr Marg, in dem Ausstellungskatalog zur gleichnamigen
Ausstellung „Konstruktion und Deutung" sprechen Sie von „hightech
structure" und „high effectshows" als Gegensatz. Das sind
ingeniöse Ansätze oder was verstehen Sie darunter?
VM: Architekten haben schon immer den Anschluss an ihre jeweilige
Gegenwart gesucht, weil sie sich in ihrer Formensprache emotionell
immer auf das beziehen, was um sie herum geschieht.