Auf der ganzen Welt kann man Hydrographie nur an wenigen Orten studieren, einer davon ist Hamburg. Seit 2009 ist die Hydrographie-Ausbildung eine Spezialisierung im zweijährigen Master of Science Geodäsie und Geoinformatik an der HCU. Meere, Seen und Flüsse zu vermessen ist eine gewaltige Aufgabe. Unsere Welt ist mit einem Anteil von 71 Prozent hauptsächlich mit Wasser bedeckt.
Dazu Harald Sternberg, Professur für Hydrographie und Geodäsie und Vizepräsident Lehre und Digitalisierung der HafenCity Universität Hamburg:
"Nur etwa ein Fünftel der von Meeren bedeckten Fläche ist bis heute hochauflösend vermessen. Die Gebiete beziehen sich zum überwiegenden Teil auf die offenen Ozeane mit großen Wassertiefen. Die klassische Hauptaufgabe der Hydrographie sind die Tiefenmessung und die Erstellung von Seekarten zur Sicherstellung der Seefahrt.
Dafür werden seit mehr als 100 Jahren Echolote verwendet, die auf Schiffen installiert und mit Hilfe von akustischen Signalen und Laufzeitmessungen die Wassertiefe berechnen. Seitdem haben sich die eingesetzte Sensorik sowie auch die Anwendungsfelder stetig erweitert. Mit Vermessungsschiffen wie der DVocean kann die Umgebung nicht nur unter Wasser, sondern auch über Wasser präzise erfasst werden. Verschiedenste Sensoren können parallel Messdaten sammeln, die in vielen Disziplinen verwendet werden".
Das acht Meter lange und 2,65 Meter breite Vermessungsboot DVocean kann in Binnengewässern und in küstennahen Regionen eingesetzt werden. Aufgrund seines geringen Tiefgangs sind auch flache Gewässer erreichbar:
"Die DVocean wurde so geplant und gebaut, dass es uns möglich ist ein breites Spektrum an Gewässern befahren zu können. Das fängt bei der Elbe, dem Heimatgewässer direkt vor den Türen der Universität an. Dadurch, dass die DVocean getrailert werden kann, sind aber auch Messungen in weiter entfernten Gebieten ohne direkte Wasserverbindung realisierbar.
Die DVocean kann mit bis zu drei verschiedenen Echoloten gleichzeitig bestückt werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit einen Sensorfisch zu schleppen. Das Dach ist mit einem flexiblen Schienensystem für unterschiedliche "Überwasser"-Anwendungen ausgestattet. Somit stehen uns für unterschiedlichste Fragestellungen die Anbringungen verschiedener Messsysteme zur Verfügung."
Die Einsatz- und Anwendungsbereiche der DVocean sind vielfältig. Dazu gehören die Erkundung und Überwachung von Wasserwegen und deren bebauten Ufern, sowie die Erzeugung von 3D-Oberflächenmodellen, beruhend auf präzisen Echolotdaten, kombiniert mit schiffsbasierten Laserscanner-Messungen.
Auch können neue Ansätze zur Positionsbestimmung und von Bodenstrukturanalysen zur Bestimmung der Stabilität von Gebäuden und Unterwasserkonstruktionen untersucht werden:
"Aktuell sind wir in mehreren Projekten tätig. Im Rahmen des CIAM Projektes geht es darum, einen Unterwasserroboter über eine größtmögliche Zeitspanne autonom zu positionieren ohne schiffsbasierte Navigationslösungen. Dabei kommen auch Ansätze auf Basis künstlicher Intelligenz zum Einsatz. Das bedeutet eine sehr hohe Flexibilität, denn zum Beispiel könnte das Unterwasserfahrzeug einen Tag im Atlantik eingesetzt werden und den nächsten Tag in der Ostsee.
Die DVocean wird als Testplattform eingesetzt. Wir haben bereits in verschiedenen Studierendenprojekten low-cost Sensoren auf kleinen unbemannten Messplattformen zusammengebaut und nutzen die Möglichkeit, diese mit Hilfe der DVocean ausgiebig zu testen und weiterzuentwickeln. Weiterhin soll in Zukunft ein Testfeld entstehen, mit dessen Hilfe Sensoren getestet werden können."
Prof. Sternberg geht gemeinsam mit seinem Team den Dingen auf den Grund. Hydrographische Ausbildung und Forschung braucht eine Messplattform, um Wissen nicht nur theoretisch zu vermitteln. Bis zu zehn Personen dürfen gleichzeitig an Bord. Die Studierenden lernen ganz konkret, wie Echolot-Messungen durchgeführt werden:
"Dabei nutzen wir verschiedene Echolote wie zum Beispiel Einzelstrahlecholote oder Fächerecholote, sogenannte Multibeam Echosounder. Weiterhin haben wir die Möglichkeit verschiedene Schichten des Gewässerbodens mit einem Sedimentecholot zu erfassen.
Aber nicht nur die unterschiedlichen Arten von Echoloten, sondern auch das Zusammenspiel aller Sensoren an Bord wird unseren Studierenden nahegebracht. Eine Messung mit dem Echolot allein reicht nicht, um den Gewässerboden zu kartieren. Die Messung muss auch georeferenziert werden, um sie hinterher an der richtigen Position in der Karte darstellen zu können. Dazu gehören neben den GNSS-Antennen zur Positionierung auch Wasserschallsonden zur Bestimmung der korrekten Wasserschallgeschwindigkeit und Bewegungssensoren, die die Schiffsbewegungen aufzeichnen.
All das wird in einer entsprechenden Software zusammengeführt und muss von den Studierenden nicht nur überwacht, sondern auch verstanden und hinterfragt werden. Weiterhin nutzen wir zusätzliches Equipment wie einen kleinen Unterwasserroboter, einen Magnetometer oder eine Secchi-Disk zur Bestimmung der Wassertrübheit".
Vermessung und Positionsbestimmung bekommt im Zeitalter wachsender Digitalisierung eine immer wichtigere Bedeutung. Mit der Datenerfassung werden dreidimensionale Abbilder der Realität erschaffen, die ganz unterschiedlich genutzt werden können:
"Das spannende ist, dass die Hydrographie stets im Kontext der Interdisziplinarität zu sehen ist, denn sie ist Teil vieler unterschiedlicher Anwendungsfelder. Dabei ist in Abhängigkeit der Anforderungen des jeweiligen Anwendungsfalls die Auswahl der richtigen Sensorik und die Gewährleistung der benötigten Datenqualität ein wichtiger Aspekt.
Hydrographische Daten werden neben der Erzeugung von Seekarten, zur Interpretation von Gewässerbodenstrukturen, bei der Planung und Überwachung von Offshore-Windpark-Anlagen, bei der Verlegung von Meereskabeln, bei der Bauwerksüberwachung oder bei dem Schutz der Meere und Umwelt durch die Kartierung von Habitaten eingesetzt, um nur mal ein paar Beispiele zu nennen.
Die Hydrographie trägt somit auch dazu bei, ein besseres Verständnis für die natürlichen Prozesse und Abläufe auf unserem Planeten zu entwickeln".